fbpx

Wunderheilmaschine

Diese kleine Geschichte weist ein wenig auf die vielfältigen Möglichkeiten hin, die sich durch den Taaffeite Effekt ergeben und auf dessen Basis auch  mein erstes Buch „Zwischenwelt-Taaffeite“ beruht. Taaffeite sind  extrem schöne und ebenso seltene Edelsteine, eine Million Mal seltener als Diamanten.

Als ich eher zufällig einen Sterntaaffeite in die Hände bekam,  von dem nur fünf Stück weltweit bekannt sind, war nicht nur mein Eindruck, dass dieser Stein etwas Magisches an sich hat. So kam mir die Idee mit dem Taaffeite Effekt. Dieser Effekt ist fiktiv, auch wenn mich schon ein Leser einmal ernstlich gefragt hatte, ob ich das alles  auch tatsächlich ausprobiert hätte. Der Effekt ist, dass dieser Edelstein in Zusammenhang mit anderen großen Kristallen, wie etwa Bergkristallen, bei Sonnenbestrahlung durch Resonanz ein Energiefeld kreiert, das je nach Kombination ein Portal zu anderen Welten aufbaut. Reine Bergkristalle in Kombination mit dem Taaffeite ermöglichen einen Zugang zur Zwischenwelt, das ist eine Welt, in der die Seelen Verstorbener, befreit von den Schmerzen und Verletzungen dieser Welt, auf  ihre nächste Bestimmung warten.

Andere Kristalle als Unterlage ermöglichen Portale in reale Parallelwelten. Robert, der Romanheld, hat natürlich auch höchst menschliche Züge und versucht sofort,  diesen Effekt wirtschaftlich zu nutzen. Anders als im Buch, das eher die Nutzung dieses Effektes als Energiequelle und Waffe sowie als Sprungbrett in fremde Welten behandelt, zeigt diese Geschichte eine ganz andere Möglichkeit auf, nämlich die Wunderheilmaschine.

Die Wunderheilmaschine

Ich habe heute Geburtstag, das wäre eigentlich ein Grund zum Feiern. Aber ich hasse Geburtstage, nicht ganz so sehr wie Garfield, der Montage hasst, denn schließlich gibt es zweiundfünfzig Montage im Jahr, aber glücklicherweise nur einen Geburtstag. Das ist immerhin die positive Betrachtungsweise dieses Umstandes.

Geburtstage machen mich schlichtweg depressiv, nicht krankhaft depressiv, aber sehr nachdenklich, und das wird mit jedem Lebensjahr schlimmer. Ich weiß nicht mehr, an welchem Geburtstag  das begonnen hatte, vermutlich irgendwann so ab dem dreißigsten Lebensjahr, wo ich erstmals das Gefühl bekam, dass wieder ein Stück Sand aus meiner Lebensuhr unwiederbringlich ausgeronnen war.

Das Leben verläuft in Brüchen, ähnlich wie die Zähne einer groben Säge. Ein Beispiel ist die Wirtschaft, einige Jahre geht alles bergauf und dann kracht alles wieder zusammen, um irgendwann wieder neu ansteigen zu können. Irgendwie muss das alles so sein, scheint es mir, und heute sitze ich auf der Kante eines der größten Brüche meines Lebens. Ich habe glücklicherweise aus den vielen  Brüchen in meinem Leben gelernt,  Brüche zuzulassen und auch einigermaßen kontrolliert zu bewältigen. Loslassen, die Chancen nützen und etwas Neues beginnen ist ein einfaches, aber manchmal schwer umsetzbares Rezept zur Bewältigung. Ich habe auch von meiner Tochter gelernt, die irgendwann nach stufenweisen Abnabelungsschritten, das ist bei Kindern so, beschlossen hatte, einfach nicht mehr gemeinsam wie bisher mit uns auf Urlaub zu fahren, und anfänglich sogar wesentlich schlechtere Alternativen in Kauf nahm. Zuerst war ich schwer beleidigt, bis ich erkannte, dass solche Schritte notwendig sind, um seine eigene Persönlichkeit ungestört entwickeln zu können, dann hatte ich auch kein Problem mehr damit. Ich hatte gelernt und diesmal   den Bruch selbst gezielt herbeigeführt, und ich bin mir über die Konsequenzen auch  völlig im Klaren.

Bis gestern hatte ich  alles, was ich mir jemals gewünscht hatte: Anerkennung, eine interessante ausgefüllte Arbeit und jede Menge Einkommen sowie das Gefühl, vielen Menschen Gutes getan zu haben.

Jetzt saß ich vor dem Computer und überlegte, wem ich den Großteil meines Vermögens, immerhin einen zweistelligen Millionenbetrag, überweisen sollte. Ab morgen würde ich mich für eine Weile verstecken und mir etwas Neues suchen oder einfach wieder wesentlich sparsamer leben müssen.

Es hatte vor nicht einmal drei Jahren begonnen, als ich versuchte den seltsamen Taaffeite Kristall, der mir überraschend in die Hände gefallen war, ordentlich zu fotografieren. Ich sammle von Kindheit an Mineralien und Edelsteine, und das war ein Glückstreffer. Nach einigen unbefriedigenden Versuchen passierte es. Ich legte den Taaffeite  auf einen riesigen Bergkristall im Wintergarten und wollte diese Kombination gerade fotografieren, als plötzlich die Sonne zwischen den Wolken hervorkam und diese Kombination überhell ausleuchtete. Ich konnte gar nicht schnell genug reagieren, um der sich rasch bildenden Lichtkugel, die sich als Halbkugel über der Kristallkombination aufgebaut hatte, vollständig  auszuweichen. Die Lichtkugel hatte gut einen Meter Durchmesser und dabei auch meine Zehen erfasst. Das Licht war unheimlich, sehr hell, aber undurchsichtig, sodass ich meine Zehen nicht mehr sehen konnte, sie waren wie abgeschnitten.

Erschrocken zog  ich mich zurück, glücklicherweise waren meine Zehen wieder da, und ich untersuchte die betroffenen Körperteile natürlich sofort ganz genau. Die Sonne hatte sich auch wieder verzogen und die Lichtkugel war inzwischen wieder weg. Ich war erleichtert, als mir doch etwas sehr Seltsames auffiel. Meine lange Mittelzehe war immer etwas gekrümmt gewesen, denn ich hatte sie mir einmal als Jugendlicher beim  Fußballspielen gebrochen und danach nur mit einem Pflaster etwas stabilisiert. Als Strafe war sie schief geblieben, aber jetzt war sie wieder kerzengerade, so, als ob diese Verletzung nie passiert wäre. Das war seltsam, diese Veränderung  musste in der kurzen Zeit innerhalb dieser Lichtkugel passiert sein.

Als  die Sonne wiederkam, probierte ich es mit dem rechten Zeigefinger, der ebenfalls eine alte Verletzung aufwies, und tatsächlich, auch diese Wunde verschwand wie durch ein Wunder. Dann schnitt ich mir ein wenig in den Finger, was mich  ziemlich viel Überwindung kostete, aber auch der Schnitt war sofort wieder weg, als ich den Finger wieder aus dem Lichtfeld nahm.

Da ich kurz vorher ein Schirennen mit einem schrecklichen Sturz im Fernsehen angesehen hatte, kam mir die brillante Idee eine Wunderheilmaschine zu konstruieren, mit der man vielleicht sogar Geld verdienen konnte. Ich baute also eine Röhre, ähnlich einem CT, schirmte diese gut ab, sodass niemand erkennen konnte, was darin vorging, und brachte das Sonnenlicht durch ein automatisches Spiegelsystem zur Kristallkombination im Inneren.

Als erste Testperson diente mir  Franz, ein Bekannter, der sich als Fußballer schwer an den Beinen verletzt hatte und eigentlich dadurch sogar berufsunfähig geworden war. Seine Überraschung war groß, als er wieder völlig gesund aus der Röhre kam. Sicherheitshalber hatte ich ihm eine schwarze Haube verpasst, sodass er nicht sehen konnte, was im Inneren der Röhre vor sich ging, diese Maßnahme  behielt ich auch weiterhin immer so bei.

Mundpropaganda ist die beste Werbung, und so hatte sich dieser Effekt schnell herumgesprochen. Am Anfang waren es die Fußballerkollegen von Franz,  dann Bekannte von demselben Verein, dann von den Nachbarvereinen, dann Bekannte die  sich beim Schifahren verletzt hatten, und schließlich, die ersten prominenteren Fälle.

Überraschend  bekam ich nach etwa einem Jahr eine Einladung des größten Schiverbandes unseres Landes, meine Anlage in einem Trainingszentrum, im sonnigen Süden des Landes, in den Bergen versuchsweise aufzubauen. Das gefiel mir, denn dort hatte ich viel mehr Sonnenstunden zur Verfügung. Inzwischen verlangte ich auch ein ordentliches Honorar für jede Behandlung, die sich nach dem erwarteten Einkommensverlust des jeweiligen Sportlers richtete. Ich war manchmal selbst überrascht, um welche Summen es sich dabei handelte. Es dauerte nicht lange, und das gesamte Schiteam war wieder topfit und es gab auch kaum mehr verletzte Fußballer.

Der Versuch wurde schließlich zur Dauereinrichtung. Mein Konto war bereits nach einem Jahr ebenso angewachsen wie mein Arbeitstag. Die Kreise der Patienten wurden immer größer und auch internationaler. Zu den bekannten Patienten aus den Risikosportarten wie Schilaufen, Fußball, Eishockey und so weiter kamen  auch schon prominente Motorrad- und Autorennfahrer sowie professionelle Stuntmen. Ich hatte manche Tage, wo ich in der Stunde auf zehn Behandlungen, und je nach Wetter und Jahreszeit, bis zu hundert Behandlungen am Tag kam.

Besonders gern und immer häufiger kamen Sportler, die ich schon einmal behandelt hatte, denn sie kannten den Effekt schon und hatten eigentlich kaum mehr Angst vor Verletzungen. Inzwischen kannte ich sehr viele prominente Sportler höchst persönlich und war mit Geschenken und Ehrungen überhäuft worden. Ich badete geradezu unentwegt in Anerkennung, Einladungen und Geld.

Allerdings fielen mir  auch langsam die Schattenseiten meiner Tätigkeit ziemlich unangenehm auf, die ich anfänglich aber höchst erfolgreich verdrängte. Obwohl ich kaum Zeit hatte, mir Sportübertragungen anzusehen, fiel mir aber immer deutlicher auf, dass viele Sportarten inzwischen wesentlich brutaler geworden waren. Nach einem großen Schirennen oder einem wichtigen Fußballspiel hatte ich oft zehn und mehr Verletzte alleine aus  derselben Veranstaltung zu behandeln. Auch die Schwere der Verletzungen nahm erheblich zu. Es war anscheinend inzwischen unmöglich geworden, ein Rennen zu gewinnen, ohne Kopf und Kragen zu riskieren, egal ob Schi, Auto oder Motorrad. Als sich auch die ersten Todesfälle einstellten, begann ich ernsthaft nachzudenken. Bei Todesfällen konnte auch meine Maschine nichts mehr retten, das hatte ich auch ausprobiert.

Ich versuchte lange Wartezeiten auf Termine einzuführen, um diesen Effekt etwas einzudämmen, aber die Leute boten einfach immer mehr Geld oder bestachen meine Mitarbeiter, um schneller behandelt zu werden.

Dann versuchte ich eine andere Selektion und wollte nur mehr Sportler behandeln, die auf normale Weise keine Chance mehr gehabt hätten gesund zu werden. Dafür beschäftigte ich entsprechend kompetente Ärzte als Filter dazwischen und bezahlte sie für die Ablehnungen. Es half alles nichts, der Druck wurde immer größer, denn das Publikum liebte die spektakulären Unfälle, und die Sportler boten sie einfach. Es war bequem, man ließ sich erstversorgen, eine schmerzstillende Spritze geben und war in den nächsten Tagen wieder völlig gesund dabei.

Mir blieb nur ein Ausweg, ich musste diesen Service kompromisslos vollständig aufgeben, Ausnahmen funktionierten einfach nicht. Natürlich hatten sich viele Leute Gedanken gemacht, auf welcher Basis  meine Maschine überhaupt funktionieren konnte. Es gab die abenteuerlichsten Vermutungen, ich selbst sagte wenig, nur dass meine Maschine auf einem unbekannten quantenphysikalischen Effekt beruhe, den ich zufällig entdeckt hatte und der nur mit Sonnenlicht funktionierte.

Langsam begann ich den Ausstieg vorzubereiten. Ich stellte ein Rundschreiben  an alle mir bekannten Organisationen und Patienten zusammen und nahm die Anzahl der Behandlungen stufenweise trotz aller Proteste zurück.

Gestern, einen Tag vor meinem Geburtstag, hatte ich das Rundschreiben fertig, in dem ich bedauernd mitteilte, dass sich die Energie meiner Maschine erschöpft hätte und trotz aller Bemühungen nicht mehr wiederherzustellen sei. Es wird in Zukunft keine Behandlungen dieser Art mehr geben.

Meine Maschine hatte ich am Abend komplett zerlegt und die Einzelteile verschwinden lassen. Die Kristalle bewahrte ich sorgfältig auf  und buchte einen Flug auf eine kleine Insel auf den Philippinen. Ich hoffte nur, dass sich die Sportwelt  wieder bald normalisieren würde.

Es blieb mir nur mehr eines zu tun, nämlich auch einen Beitrag zur Normalisierung zu leisten. Ich hatte eine Organisation im Internet gefunden, die sich besonders um die Rehabilitation von verletzten Sportlern und deren Wiedereingliederung ins Berufsleben verdient gemacht hatte. Für die Übergangszeit fühlte  ich mich einfach moralisch verpflichtet, denn ohne meine Maschine wären viele Unfälle und Verletzungen gar nicht erst entstanden. Ich suchte die zugehörige  Kontonummer heraus, setzte den Betrag ein, forderte einen SMS Code an, setzte ihn nach dem Piepston ein, überlegte noch einmal kurz und zögerte. „Sollte ich das wirklich tun?“

Wie immer vergisst man schnell die unangenehmen Dinge, und die schönen Erlebnisse bleiben hängen. Ich musste schmunzeln, als mir der Brief einer prominenten Fußballergattin einfiel, ein ziemlich bekanntes und attraktives Model.  Sie hatte sich herzlich und offen dafür bedankt, dass ich ihrem Mann nicht nur  seine Männlichkeit zurückgegeben hatte, die er durch einen bösen Tritt in die Weichteile möglicherweise nie mehr wiedererlangt hätte, sondern dass er jetzt viel besser als vorher war.  Das war wahrscheinlich nicht der erste Tritt dorthin gewesen.

„Sollte ich auf das alles verzichten? Vielleicht konnte man das Ganze doch auch vernünftig weiterbetreiben, es gab schließlich viel mehr positive Effekte als negative.“

Ich ließ die netbanking Seite im Computer offen und betrachtete noch einmal meine Behandlungsstatistik. Die Kurve zeigte erschreckend eindeutig exponentiell nach oben. Jetzt oder nie musste ich das Ganze beenden, das wurde mir plötzlich glasklar und drückte die „absenden“ Taste. Das Rundscheiben war draußen und das Geld auch. Ab morgen würde ich wieder ein ganz normales Leben führen. Außerdem konnte ich jetzt in aller Ruhe diesen Taaffeite Effekt weiter untersuchen und  freute mich schon darauf, was es da noch alles zu entdecken geben würde.

Eigentlich hasse ich Geburtstage doch nicht wirklich, und ich machte mich auf, den Rest des Tages mit meinen Freunden ordentlich  zu feiern.